- Gravenbrucher Kreis begrüßt Stärkung des deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzrechts
- Praktiker schlagen konkrete Änderungen bei Rechtsstellung von Restrukturierungsbeauftragten und Eingriffen in das Vertragsrecht vor
- Abstand zwischen außergerichtlicher Sanierung und Insolvenzverfahren muss gewahrt bleiben
Halle / Saale, Frankfurt a. M., den 2. Oktober 2020; Der Gravenbrucher Kreis nimmt Stellung zum kürzlich veröffentlichten Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG).
Der Gravenbrucher Kreis begrüßt den Referentenentwurf als wichtigen Schritt zur Stärkung des Sanierungsstandortes Deutschland durch Verbesserungen im Eigenverwaltungs- und Insolvenzverfahren. Darüber hinaus bekommen Unternehmen mit dem vorgesehenen, modular gestalteten Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (SRR) ein flexibles und wirksames Mittel für außergerichtliche Sanierungsbemühungen, die sonst an einzelnen Akkordstörern zu scheitern drohen. Der Rechtsrahmen ist in den Artikeln zum Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) innerhalb des SanInsFoG geregelt.
Kritisch bemerkt der Gravenbrucher Kreis den Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungsverfahren steht, da das Gesetz bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll. Das SanInsFoG sieht einen völlig neuartigen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen vor. Darüber hinaus soll das SanInsFoG nicht nur Vorgaben der EU-Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen umsetzen, sondern führt zu erheblichen Änderungen an den Grundfesten im Sanierungs- und Insolvenzrecht, die gründlich abgewogen werden sollten.
Wesentliche Änderungsvorschläge zum Referentenentwurf des SanInsFoG macht der Gravenbrucher Kreis aus Sicht erfahrener Praktiker für folgende Aspekte:
- Im Zuge des geplanten Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (SRR) können die Schuldnerin und auch die Gläubigerinnen dem Restrukturierungsgericht bindend eine konkrete Person als Restrukturierungsbeauftragte vorschlagen. Zugleich sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit vor, dass das Restrukturierungsgericht zusätzlich eine Sonderbeauftragte bestellen kann, die die vom Gericht bestellte Restrukturierungsbeauftragte „kontrollieren“ soll. Der Gravenbrucher Kreis schlägt vor, diese Möglichkeit ersatzlos zu streichen. Zum einen wäre dies ein „Misstrauensvotum“ gegenüber dem Willen der Schuldnerin bzw. der Gläubigerinnen sowie gegenüber der Integrität und Professionalität der vom Gericht bestellten Restrukturierungsbeauftragten. Zum anderen würde eine solche Dopplung das Verfahren verteuern sowie verkomplizieren und damit einer zügigen Restrukturierung der Schuldnerin entgegenstehen.
- Der Eingriff in Verträge der Schuldnerin sollte nach Einschätzung des Gravenbrucher Kreises nicht innerhalb des neuen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens erfolgen, sondern weiterhin
ausschließlich im erprobten und sanierungsfreundlichen Insolvenzverfahren (§§ 103 ff. InsO) möglich sein. Daher rät der Gravenbrucher Kreis dazu, die entsprechenden Paragraphen ersatzlos zu
streichen und grundsätzlich darauf zu achten, den Abstand zwischen Insolvenzverfahren und außergerichtlichen Instrumenten zu wahren.
Bei Eingriffen in laufende Verträge handelt es sich um Eingriffe in diverse Grundfesten insbesondere des Schuldrechts. Eine Richterin müsste nach dem StaRUG-Entwurf über Verträge entscheiden, ohne tiefen Einblick in die Situation der Schuldnerin zu haben und würde dafür die Haftung übernehmen müssen. In Insolvenzverfahren sind Sachwalterin oder Insolvenzverwalterin in unternehmerischer Verantwortung in die Abläufe der Schuldnerin eingebunden, haben daher tiefe Einblicke in die Situation des Unternehmens, auf deren Grundlage sie entscheiden – und auch dafür persönlich haftbar gemacht werden – können.
- Die vom Gericht bestellte Restrukturierungsbeauftragte soll gemäß dem StaRUG-Entwurf auf Stundenlohnbasis für ihre Arbeit bezahlt werden. Dies entspricht aus Sicht des Gravenbrucher Kreises nicht dem Aufgabenprofil, das mit dieser Position verbunden ist. Die Restrukturierungsbeauftragte im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen übernimmt ähnliche Aufgaben wie eine Sachwalterin in Sanierungsverfahren nach der Insolvenzordnung – und auch entsprechend weitgehende und persönliche Haftungsrisiken. Dies sollte entsprechend mit einer Vergütung von 80 Prozent der für eine Sachwalterin bestimmten Vergütung entgolten werden. Bemessungsgrundlage sollte jeweils das Unternehmensvermögen der Schuldnerin unter Fortführungsgesichtspunkten zum Zeitpunkt der Bestellung der Restrukturierungsbeauftragten sein.
- Der Gravenbrucher Kreis begrüßt, dass das auf der EU-Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen fußende „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz –StaRUG)“ in einem eigenständigen Gesetz normiert werden soll. Um die Anwendung zu erleichtern, schlägt der Gravenbrucher Kreis jedoch einen weniger sperrigen Titel vor: „Restrukturierungsordnung“ (RO).
„Das Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) stärkt das weltweit anerkannte deutsche Restrukturierungs- und Insolvenzrecht. Mit dem darin enthaltenen neuen Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (SRR) können sich im Kern gesunde Unternehmen sanieren, ohne ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen“, begrüßt Lucas Flöther, Sprecher des Gravenbrucher Kreises, den Gesetzentwurf. „Für Unternehmen, die im Zuge ihrer Restrukturierung auch Einschnitte bei Personal vornehmen müssen, bleiben Schutzschirm und Eigenverwaltung die besten Sanierungsinstrumente. Denn Einschnitte in Arbeitnehmerrechte und Pensionsverpflichtungen schließt der SRR aus.“